Whataboutism – 4 Tipps, die im Streit wirklich helfen

von  Niklas Löwenstein

Diskutieren kann Spaß machen, klar. Aber wenn eine Diskussion zum Streitgespräch wird, passiert eine Sache ganz schnell, die sehr nervig sein kann: der sogenannte Whataboutism.

Das Wort kennst du sicher schon aus diversen Internetforen…wenn es da hitzig zugeht, wirft einer dem anderen schnell Whataboutism - oder eingedeutscht: Whataboutismus - vor.

Und tatsächlich passiert uns das Phänomen auch schnell in Streitigkeiten oder Diskussionen mit unserem Partner. 

Deshalb schauen wir uns das Ganze in diesem Artikel einmal genauer an:

Was versteht man unter Whataboutism? Warum passiert das so schnell, wenn man sich streitet? Und wie kann man es effektiv vermeiden? 

Alter Trick im neuen Gewand

Vielleicht geht es dir auch so…ich habe das Gefühl, dieser ja noch recht neue Begriff begegnet mir im Internet einfach nur noch ständig und überall. Aber auch wenn das Wort hierzulande noch nicht so lange etabliert ist - die Gesprächstechnik dahinter gibt es schon lange. Wenn man es so nennen möchte, denn das ist ja sehr harmlos ausgedrückt. Kleiner Spoiler: Whataboutism ist nicht harmlos. 

Der Name verrät schon die Vorgehensweise: “…and what about XY?!” - zu Deutsch: “…und was ist dann mit XY?” Statt also auf Argumente des Gegenübers einzugehen, wird ihm eine Gegenfrage gestellt.

“Diskussionsstil, bei dem auf Argumente stets mit Gegenfragen oder einem Verweis auf andere Probleme und Themen reagiert wird”

- So definiert der Duden Whataboutism

 Eigentlich ist es also eine ziemlich fiese Strategie im Streit, die gerne auch im politischen Kontext verwendet wird. Ein uraltes Beispiel ist es zum Beispiel, wenn über Rechtsextremismus gesprochen wird und dann jemand um die Ecke kommt mit einem Satz wie: "Aber was die Linken machen, das ist okay, oder was?" 

Ein Ablenkungsmanöver also - aber warum wird das gemacht?

Whataboutism ist nicht dazu da, die Diskussion voranzubringen. Und auch nicht dafür, einen kritischen Blick auf einen anderen Missstand zu lenken. Das Ding ist - um bei dem Beispiel von eben zu bleiben: Auch wenn linke Gewalt durchaus ein Thema sein kann, es ändert einfach nichts daran, dass es Rechtsextremismus gibt oder an dem Schaden, von dem in der fiktiven Diskussion eben vielleicht die Rede war. 

Der Sinn ist also, den Diskussionspartner in der Debatte mundtot zu machen. Man spricht auch von “Totschlagargument”. Es ist eigentlich nicht wirklich ein Argument, kann den Anderen aber leicht zum Verstummen bringen.

Meistens ist es gar nicht mal so sehr der Inhalt dessen, was gesagt wird, sondern die Aggressivität, die uns die Sprache verschlägt - und den Anderen im Zweifel als “Sieger” vom Platz gehen lässt. 

Ärgerlich, oder? Und was im Internet oder in der Stammkneipe einfach nur ärgerlich ist, kann sich richtig übel auf deine Beziehung auswirken…

Whataboutism im Streit erkennen

Woran erkenne ich also, wenn mich jemand mit Whataboutism aufs Glatteis führen will? Insbesondere, wenn ich mich gerade mit meinem Partner streite?

Whataboutism ist oft eine Reaktion, wenn deinem Gegenüber die Argumente fehlen. Da es eine Art Gegenangriff ist, ist der Tonfall meistens schärfer. Und es muss auch nicht immer als Frage (“Und was ist mit…?”) daherkommen, es kann auch als Feststellung formuliert werden. 

Ein Beispiel:

“Solange du nicht in der Lage bist, deine Schmutzwäsche in die Wäschebox zu werfen, brauche ich ganz bestimmt nicht immer sofort meine Zeitschriften wegräumen.”

Ja, das erscheint jetzt erstmal als recht banales Beispiel. Über solche oder ähnliche Dinge diskutiert bestimmt jedes Paar immer mal wieder, wenn es zusammen lebt. 

Was Whataboutism mit deiner Beziehung macht

Jetzt stell dir einmal vor, dass diesem banalen Beispiel ein Streit vorausging, der immer hitziger wurde. Ich bin mir sicher, du hast jetzt einen entsprechenden Tonfall im Ohr, wenn du nochmal auf den Satz schaust. 

Was hörst du da heraus? 

…Aggressivität vielleicht, Herablassung, Provokation? Ja, höre ich auch alles. Und das ist genau das Toxische an Whataboutism in Streits. 

❗Es geht nicht darum, ein Problem zu lösen, es geht auch nicht mehr ums Zuhören oder gar Mitfühlen. Es geht einzig daran, das Gegenüber - in diesem Fall also den Partner - zu erniedrigen, bzw. sein Anliegen zu schmälern oder zu entkräften. Aber ohne dafür wirklich Argumente zu haben. 

Passiert das mal im Eifer des Gefechts, okay, das ist dann nicht schön, aber nichts, was man nicht in einem Gespräch bereinigen könnte.

Passiert es aber immer wieder, etabliert ihr eine Kommunikation in eurer Beziehung, die ernsthaft Schaden anrichten kann. Schau dir mal die 4 Reiter der Apokalypse an, wenn du mehr darüber wissen willst, was toxische Streit-Dynamiken in Beziehungen anrichten können.

Andersherum kann man als Paar aber auch eine achtsame und respektvolle Art des Miteinanderredens (und -streitens) etablieren.

Keep in mind: Für euer Verhalten und eure Kommunikation seid ihr als erwachsene, ebenbürtige Partner beide gleichermaßen verantwortlich. 

Whataboutism in Beziehungsstreitigkeiten 

Bei den meisten Paaren wird es wohl nicht so sein, dass der Grund für solchen Whataboutismus in Streitigkeiten ist, dass einer unbedingt als Sieger da raus gehen will. Man hätte nur sehr kurz etwas davon…und es ist auch fragwürdig, ob diese klitzekleine Befriedigung, die man in diesem hitzigen Moment vielleicht empfindet, wirklich so toll ist.

Schließlich, und jetzt kommen wir zu einem wesentlichen Punkt, steht in dem Streit ja nicht irgendwer vor dir, den du besiegen möchtest. Sondern dein Partner, den du liebst. Mit dem du weiterhin eine Beziehung führen willst.

Warum also passiert es trotzdem? 

Letztlich ist der vermeintliche Angriff in der Regel eine Verteidigung. Dahinter können verletzte Gefühle stehen, Kränkungen in der Vergangenheit, eine verletzte Eitelkeit oder Hilflosigkeit. Alle diese Möglichkeiten stehen natürlich einer harmonischen liebevollen Beziehung, wie du sie dir vermutlich wünschst, im Wege.

Die gute Nachricht ist aber: Wenn ihr erkannt habt, dass es im Grunde nicht wirklich um die Wäsche geht, die mal wieder liegengeblieben ist (oder was auch immer bei euch der Auslöser für den letzten Streit war), könnt ihr gemeinsam schauen, was wirklich der Grund dafür sein könnte, dass es so hitzig zwischen euch wurde.

Fassen wir also zusammen: Whataboutismus als Reaktion in einem Streit führt zu einem “Abwürgen” der Diskussion und macht den Anderen mundtot oder lässt ihn mit einem schlechten Gefühl zurück. Diese Art der Kommunikation bringt euch nicht weiter. 

Daher kommen wir nun zu der Frage, was euch in so einer Situation weiterbringt.

Das passiert, wenn im Streit Whataboutism genutzt wird

4 Tipps, um die Streit-Bombe zu entschärfen

Was also tun, wenn ihr hitzig streitet und dein Partner dir nun mit der Whataboutism-Keule kommt? Hier kommen die 4 Tipps für eine Deeskalation, wenn du im Streitgespräch mit Whataboutismus konfrontiert wirst.

1. Ruhig bleiben, tief durchatmen

Auch, wenn dein Partner gerade vielleicht unfair zu dir ist, versuch, dich nicht davon aus der Bahn werfen zu lassen. Oft hilft es, langsam und tief einzuatmen (so, dass es dein Partner nicht mitbekommt) und im Geiste bis 5 zu zählen. 

2. Ausreden lassen und nachfragen

Auch wenn es im ersten Moment schwerfällt, lass deinen Partner in Ruhe ausreden. Und dann frag nochmal nach! Zeig deinem Partner, dass du ein offenes Ohr für ihn hast, auch wenn ihr gerade hitzig streitet.

Es ist übrigens kein Charakterfehler, wenn es dir schwerfällt, ihn ausreden zu lassen. Das geht den meisten Menschen so und liegt einfach daran, dass wir uns automatisch verteidigen wollen, wenn wir uns angegriffen fühlen. That`s it.

3. Eigene Gefühlslage checken

Wenn es dir aber zu schwer fällt, macht es auch keinen Sinn, dich selbst zur Ruhe zwingen zu wollen. Schau also, wie es dir in dem Moment wirklich geht. Hilft dir das Durchatmen, fühlst du, dass du dadurch ruhiger wirst? Es kann nämlich auch einfach sein, dass es in dem Moment nicht funktioniert. Dass du zu aufgebracht bist, um zur Ruhe zu kommen. Das ist völlig in Ordnung. Wenn du das merkst, sprich Klartext und brich die Situation ab, z.B. so: “Hör mal, wir sind beide aufgebracht, das bringt gerade nichts. Lass uns hier abbrechen und heute Abend in Ruhe nochmal schauen, wenn die Kinder im Bett.” Verabredet euch dann aber auch wirklich konkret. 

4. Wünsche klären

Vielleicht könnt ihr schon im Streitgespräch gemeinsam überlegen, ob es eine Lösung gibt für den Vorwurf, den dein Partner dir gerade gemacht hat. 

Aber wenn das nicht geht, solltet ihr spätestens im nächsten ruhigen Gespräch schauen, welche Wünsche jeder von euch an den jeweils anderen hat und was davon gut umgesetzt werden kann. Manchmal sind Lappalien ja auch wirklich nur Lappalien, die im Eifer eines Streits als erstbeste Waffe genutzt werden. Das ist nicht schön, aber wenn ihr über die Sache sprecht und schon wisst, wie der Streit überhaupt eskalieren konnte, könnt ihr auch diese vermeintlichen Kleinigkeiten vielleicht recht einfach klären.

Extratipp:

Das sogenannte “Zwiegespräch” könnte eine Möglichkeit für euch sein, ein wirklich konstruktives Gespräch zu führen. Gleichzeitig übt ihr dabei das Ausredenlassen und Zuhören, denn das ist wirklich eine Sache, die man gut trainieren an. Die Vorgehensweise ist eigentlich simple: Jeder darf 10 Minuten lang reden, ohne dass der Andere ihn unterbricht. Danach ist der Andere dran.

Wenn die Komunikation durch Whataboutism schwierig wird, hilft das Zwiegespräch weiter

In meinem Artikel Ehe retten habe ich die Methode genauer beschrieben. Wenn du glaubst, dass das etwas für dich sein könnte, schau gerne mal rein.

Wenn ihr es schafft, euch in einer wertschätzenden Art gegenseitig Gehör zu verschaffen und das sogar regelmäßig tut, wird eine unfaire Kommunikation wie Whataboutismus gar nicht erst wieder aufkommen.

Niklas Löwenstein


Muss ich mich wirklich trennen, oder gibt es noch Hoffnung? Niklas war kurz davor, seine Ehe gegen die Wand zu fahren... Um seine Kinder vor einer Scheidung zu bewahren und wieder glücklich werden zu können, stürzte er sich auf alles, was seiner Beziehung vielleicht helfen konnte.

Aus dieser Suche wurde erst ein Hobby und dann nach und nach seine Lebensaufgabe. Heute ist seine Ehe glücklicher als je zuvor und er hilft mit seinen Artikeln, Büchern und Programmen hunderttausenden dabei, auch wieder glücklichere Beziehungen zu führen.

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