Die 4 Reiter der Apokalypse in deiner Beziehung

von  Niklas Löwenstein

Anfang der 70er Jahre machte sich ein junger Wissenschaftler auf, herauszufinden, was Beziehungen scheitern lässt. Sein Name war John Gottman und im Laufe der Zeit wurde aus ihm einer der berühmtesten Beziehungswissenschaftler der Welt.

Damals beschaffte er sich an der Indiana University eine Videokamera, Messgeräte und einen Computer. Also das was man in den 70er Jahren eben Computer genannt hat.

Mit seinem Kollegen Robert Levenson hat er dann Paare ins Labor eingeladen, sie verkabelte und dann angefangen, den Herzschlag und ihre Atemfrequenz gemessen.

Im Anschluss bat er sie dann, 15 Minuten lang ein heikles Thema ihrer Beziehung zu diskutieren. Er war sich sicher, dass er herausfinden würde, warum einige Paare unglücklich endeten und andere nicht.

Die Universität sah das anders. Schon das Verhalten eines Menschen ist ja schließlich ziemlich schwierig vorauszusagen… Aber das von zwei?

Jedenfalls wurde ihm nahegelegt, sich auf andere Studien zu konzentrieren. Im Labor von Gottman zu arbeiten galt damals als Karrierekiller, wie der Partner Robert Levenson später sagte.

Gottman war das jedenfalls egal und er machte weiter. Nach drei Jahren hatte er die Antwort:

Was die Liebe zerbrechen lässt

Was eine spätere kaputte Beziehung von den glücklichen Paaren unterschied, das waren die physiologischen Daten.

Auch wenn die Partner, deren Beziehungen späteren unglücklichen endeten, auf den Videoaufnahmen von ihrer Auseinandersetzung ruhig schienen, spielte ihr Körper verrückt. Ihr Puls schoss in die Höhe, sie begannen zu schwitzen und schnell zu atmen, sobald ein Konflikt zur Sprache kam.

Der Körper reagierte im Grunde ganz in unserem archaischen kämpfen oder fliehen Modus. So als würde er es mit einem gefährlichen Tier aufnehmen müssen – und nicht mit einem geliebten Menschen.
Je ruhiger dagegen der Puls während der Diskussion war, umso glücklicher waren die Partner und umso wahrscheinlicher war es, dass sie nach den drei Jahren noch zusammen waren.
Wie sich das Glück über die drei Jahre hinweg veränderte, ließ sich zu 90 Prozent allein aus den physiologischen Reaktionen während der 15-minütigen Diskussion vorhersagen.

Aber er wollte es noch viel genauer wissen. Er wollte sagen können, welche der Paare in so einer Ehekrise sich trennen würden und wann sie das tun würden. In der Kommunikation musste doch etwas grundsätzlich schieflaufen und irgendwie sollte das doch nachzuweisen sein.

Daraufhin sah er sich dann alles Material an, immer und immer wieder und nutze ziemlich exzessiv die Angaben, die die Partner im Anschluss gemacht hatten, als sie sich die eigenen Videos noch einmal angesehen hatten. Er bastelte Interaktionssequenzen zusammen mithilfe eines statistischen Verfahrens, das sich Zeitreihenanalyse nennt und sonst für Börsenkursberechnungen oder Wettervorhersagen genutzt wird.

Und wieder fand er etwas.

John Gottmans 5:1 Ratio

Er errechnete er die 5:1-Ratio, für die Gottman berühmt wurde.

Diese 5:1 Ratio bedeutet, dass glückliche Paare sich daran erkennen lassen, dass auch in einer Auseinandersetzung 5 positiv erlebte Momente einem negativen gegenüber stehen.

Bei den unglücklichen Paaren findet man dagegen eher eine 1zu1 Ratio oder sogar eine negative. So eine ausgeglichene Ratio mit einem positiven für einen negativen Moment in einem streit mag zwar erstmal nicht so schlimm klingen, laut Gottman ist es das aber durchaus.
Denn negatives Verhalten macht mehr kaputt, als positives repariert. Es ist viel machtvoller. So geraten unglückliche Paare schnell in eine Spirale aus Negativität, aus der sie am Ende nicht mehr herauskommen.

Aber er konnte noch mehr herausfinden. Nicht alle negativen Momente waren gleich gefährlich für die Beziehung.
Nur vier von ihnen waren, wissenschaftlich gesehen, ein Volltreffer.

Wenn man diese 4 Arten von Negativität berücksichtigt, ließ sich anhand dieses 15 Minuten Streits in über 90 Prozent aller Fälle vorhersagen, ob die Paare sich in den nächsten 5,6 Jahren trennen würden oder nicht.

Stell dir das mal vor. Jemand beobachtet einen Streit zwischen euch und kann euch danach viel sicher sagen, ob ihr euch innerhalb von 5 Jahren trennen werdet, als dein Handy das Wetter von Morgen vorhersagen kann.

Tauchten die Vier Arten der Negativität auf, kündigten sie den Niedergang der Beziehung an. Und deshalb nannte Gottman sie: die apokalyptischen Reiter. Nach den Reitern aus der Bibel, die die Apokalypse ankündigen.
Diese 4 Reiter waren der Grund, warum die Körper der Partner reagierten, als seien sie im Kampf.

Die 4 Apokalyptischen Reiter

Der erste Reiter: Kritik

Natürlich ist nicht immer alles eitel Sonnenschein und es ist ganz normal, dass man sich über einen Partner, mit dem man sein Leben verbringt auch einmal beklagt. Es ist allerdings ein großer Unterschied, ob du dich über etwas beschwerst, oder ob du Kritik äußerst.

Bei einer Beschwerde geht es dir immer um irgendein konkretes Ereignis, bei dem dein Partner in deinen Augen etwas falsch gemacht hat.
Im Gegensatz dazu geht Kritik deutlich weiter, da sie noch zusätzliche negative Bemerkungen über den Charakter oder die Persönlichkeit deines Partners beinhaltet.

“Ich bin echt sauer, ich hatte dich gebeten, beim Einkauf Eier mitzubringen und jetzt fehlen die mir für den Kuchen” ist eine Beschwerde.
“Warum bist du immer so vergesslich? Jetzt muss ich echt noch mal losfahren um Eier zu holen, weil du das wieder mal verplant hast. Du interessierst dich echt überhaupt nicht für das, was ich sage” ist eindeutig eine Kritik.

Wo ist also der Unterschied?

Bei einer Beschwerde geht es um ein bestimmtes Verhalten. Bei der Kritik wird etwas an der Person angegriffen, die den “Fehler” gemacht hat. Jede Beschwerde lässt sich ganz einfach in eine Kritik ändern, wenn du einfach etwas einfließen lässt wie “Warum machst du immer” oder “Nie kannst du”.

Dann geht es direkt nicht mehr um die Sache, sondern es folgt ein Angriff auf den Charakter des anderen. Und wenn wir angegriffen werden, ob nun körperlich oder verbal, fährt unser Körper den Schutzschild hoch.

Oft merken wir gar nicht, dass wir so kommunizieren, aber wenn du dir manchmal etwas denkst, wie "mein Partner versteht alles als Vorwurf", dann ist das ein Anzeichen, dass du häufiger Kritik übst, als du glaubst.

Der zweite Reiter: Verteidigung

Und meistens folgt als natürliche Reaktion die Verteidigung. Das ist dann der zweite apokalyptische Reiter.
Sich zu verteidigen ist wirklich eine völlig normale Reaktion, in einem Konflikt mit einem angreifenden Partner aber völlig unnütz.
Indem der eine versucht, sich zu verteidigend und seine Situation zu erklären, fühlt sich der andere in seiner vielleicht berechtigten oder unberechtigten Kritik übergangen, weil auf seine Bedürfnisse nicht entsprechend eingegangen wird.

"Ja, aber ich arbeite den ganzen Tag und habe nicht die Zeit, ständig die Wohnung aufzuräumen." Mag ja dein Gefühl sein, wird in einem Streit aber überhaupt nicht hilfreich sein. Wenn du dich rechtfertigst und entschuldigst, führt das meistens dazu, dass der andere denkt, sein persönliches Anliegen sei dir weniger wichtig.

In der Theorie ist es dann viel besser, zu versuchen zu verstehen, was das eigentliche Anliegen des Partners ist und damit Verständnis für seine Gefühle und seine Situation zu zeigen. Aber natürlich ist das in einem Streit eben alles andere als einfach.

Der dritte Reiter: Verachtung

Der dritte Reiter ist die Verachtung. Ein leichtes Augenrollen, auf den Partner heruntersehen, ihn nicht ernst nehmen. Ironie und Sarkasmus sind hier auch ziemlich häufig angesiedelt. Verachtung zwischen den Partnern gibt es in glücklichen Beziehungen nicht. In unglücklichen dominiert sie dagegen.
Wenn bei euch der dritte Reiter durch die Beziehung trampelt, dann müsst ihr das unbedingt so schnell wie möglich stoppen.
Niemand möchte freiwillig mit jemandem reden oder Zeit verbringen, der einen nicht respektiert. Und ganz sicher kannst du jemanden nicht lieben, der dir Verachtung entgegenbringt. 

Der vierte Reiter: Rückzug

Der vierte Reiter ist der Rückzug, das „Mauern“. Das ist ein Verhalten, das jemand zeigt, der sich machtlos fühlt oder das Gefühl hat, das Reden in diesem Gespräch sowieso nichts mehr hilft.
Er verschränkt die Arme, vermeidet Augenkontakt, schaltet auf Durchzug. Das sieht nach Desinteresse aus und macht den Partner noch wütender. Aber Mauern tritt typischerweise ab einem Puls von 100 auf, sagt Gottman. Es ist eine Verzweiflungstat, wenn man sich in einer Auseinandersetzung mit dem Partner einfach nicht mehr anders zu helfen weiß.

Diese Theorie von Gottmans apokalyptischen Reitern hat sich auch mit den Jahren als völlig richtig erwiesen und heute gibt es kaum einen Paartherapeuten, der sich nicht auf die Reiter beruft.

Wenn ihr diese negativen Muster in euren Auseinandersetzungen habt, kann es schnell passieren, dass zumindest einer von euch bei jedem Streit an Trennung denkt.  

Ich finde es unheimlich wichtig, dass ihr euch dieser Reiter bewusst seid und versucht, sie in euren Auseinandersetzungen zu vermeiden. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, wie schwierig das in einem eskalierenden Streit sein kann.

Aber wenn ihr eure Ehe retten wollt, solltet ihr sie kennen und nach ihnen Ausschau halten!

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Niklas Löwenstein


Niklas Löwenstein ist ein erfahrener Beziehungs-Coach, erfolgreicher Autor mehrerer Beziehungsratgeber und gefragter Interviewpartner in Radio- und Printmedien. Gemeinsam mit seinem Coaching-Team aus erfahrenen Paar- und Sexualtherapeuten hat er auf Lovomi.de eine breite Auswahl an Online-Kursen entwickelt, die bereits über 60.000 Menschen dabei geholfen haben, ihre Beziehungen zu stärken.
Seit über 10 Jahren begleitet er Paare und Einzelpersonen auf ihrem Weg, auch aus schwierigsten Situationen wieder zurück auf „Wolke 7“ zu finden.

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